Die größten Flops der Familienpolitik?

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Der Spiegel hat auf dunklen Kanälen einen Zwischenbericht eines Gutachterkreis zu einer Regierungsstudie erhalten.[ref]Regierungsstudie: Verheerende Noten für deutsche Familienpolitik; Spiegel Online vom 3.2.2013 [/ref] Laut Spiegel kommt der Zwischenbericht zu dem Schluss, dass die deutsche Familienpolitik und viele ihrer milliardenschweren Förderinstrumente weitgehend wirkungslos und teilweise sogar kontraproduktiv sind.

Nun berichtet Spiegel-Online (SPON) über die drei angeblich größten Flops der Familienpolitik.[ref]Bundesregierung: Die größten Flops der Familienpolitik; Spiegel Online vom 3.2.2013 [/ref] Als die drei größten Flops werden Ehegattensplitting, Kindergeld und beitragsfreie Mitversicherung in der Krankenkasse ausgemacht; SPON gibt einen Überblick über diese drei größten Ungetüme. (Alle Zitate ohne Quelle stammen aus dem Artikel.)

Für eine Evaluation sollten die Bewertungskriterien klar sein und es sollten nur Instrumente der Familienpolitik evaluiert werden. Obwohl das Bewertungskriterium nicht klar definiert wird, deuten die Bewertungen auf folgendes hin: Arbeitskräfte für den Arbeitsmarkt schaffen. Weg vom Modell eine Ernährerin / ein Ernährer der Familie hin zum Modell zwei Ernährer und Outsourcing der Kinderbetreuung. dies schafft mehr Arbeitskräfte, von denen wir mehr als Arbeitsplätze haben. Überproduktion drückt die Preise. Liegt die Zahl der Arbeitskräfte deutlich über denen der Arbeitsplätze, sinken die Löhne. Sinkende Löhne fördern das zwei Ernährer-Modell. Gleichzeitig muss natürlich die Reproduktionsrate — schönes Wort, eigentlich müsste ich hier „zusammengefasste Fruchtbarkeitsziffer“ schreiben — der Arbeitskräfte von ca. 1,4 auf ca. 2,3 Kinder pro Frau erhöht werden.

Schauen wir uns die angeblichen Ungetüme der Familienpolitik an.

Ehegattensplitting

Wie es funktioniert: Das Splitting belohnt, wenn Partner heiraten, die möglichst ungleich verdienen. Ihre Einkommen werden zusammengerechnet, dann halbiert und besteuert. Je größer der Einkommensunterschied, desto größer ist der Steuervorteil. Am stärksten begünstigt wird die Alleinverdiener-Ehe. Hier sind im Extremfall pro Paar und Jahr mehr als 15.000 Euro Steuernachlass möglich.

Hier liegt ein gewaltiger Irrtum zugrunde. Die Ehe ist eine Solidargemeinschaft. Beide Partner sind sich gegenseitig zum Unterhalt verpflichtet. Zuerst wäre die Frage zu klären, gegenüber wem die ungleich verdienenden Paare belohnt werden. Durch das Splitting werden ungleich verdienende Ehen genauso hoch versteuert, wie gleich verdienende Ehepartner. Natürlich zahlen ungleich verdienende Ehepaare weniger Steuern als ungleich verdienende lockere Lebensabschnittsgemeinschaften, aber sie haben auch andere Unterhaltspflichten.

Ohne Splitting würde der Steuerfreibetrag des nicht erwerbstätigen Partner verfallen. Der nicht erwerbstätige Partner wäre allein auf den Unterhalt seines Partner angewiesen. Warum soll der arbeitende Partner den Unterhalt in Höhe des Steuerfreibetrag versteuern? Es besteht in diesem Fall doch auch gar kein Interesse mehr an einer Ehe, weil den finanziellen Pflichten keine Vorteile mehr gegenüber stehen.

Wo ist im Fall des ungleich verdienenden Paaren die Belohnung? Gegenüber wem? Anders betrachte: Ohne Splitting würden ungleich verdienende Paare gegenüber gleich verdienenden Paaren bei gleichem Gesamteinkommen bestraft. Der besser verdienende Partner müsste mehr Steuern zahlen, als der weniger verdienende Partner weniger zahlt. Trotz gleichen Gesamteinkommen bliebe ungleich verdienenden Paaren weniger Netto vom Brutto. Wieso ist dies gerechtfertigt? Sollen nur noch gleich hoch verdienende Partner heiraten?

Grund für das Splitting ist unser Steuersystem. Ohne eine steuerfreien Grundbetrag und einen progressiven Steuersatz gäbe es diese Frage überhaupt nicht. Mit einen einheitlichen Steuersatz von 25% ab dem ersten Euro wäre es völlig egal, wie viel die Partner im Verhältnis zueinander verdienen. Ehegattensplitting als Instrument der Familienpolitik zu betrachten ist daher Unfug.

Eine Änderung unseres Steuersystems weg vom progressiven zum einheitlichen Steuersatz ohne Freibeträge wird aber nicht durchsetzbar sein. Kein Freibetrag? Da bekommen wir verfassungsrechtliche Probleme. Es würde bedeuten, dass die Geringverdiener mehr Steuern zahlen müssten und die Besserverdiener weniger. Wir stürzen schon bei jeder kleinen Änderung der Steuersätze in eine Neid getriebene Gerechtigkeitsdiskussion.

Kindergeld

Wie es funktioniert: Jede Familie bekommt monatlich für das erste und zweite Kind je 184, für das dritte 190 Euro, für jedes weitere Kind 215 Euro. Dabei ist es völlig egal, ob man viel, wenig oder gar nichts verdient.

Warum bekommen Spitzenverdiener Kindergeld? Brauchen Sie das? Sollte für Kinder kein Kindergeld bezahlt werden, nur weil ihre Eltern reich sind? Wo sollte die Grenze liegen. Wir haben unter anderem ein Problem mit der Reproduktionsrate, weil Kinder Geld kosten und viele dies lieber anderen überlassen. Sollen die andern doch die Kinder groß ziehen, die mir im Alter die Rente zahlen und den Hintern abwischen. Ich lebe mein Leben jetzt. Kinder sind jedoch eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Ohne Kinder gibt es keine Rente im Alter. Geldscheine kann man zwar essen, aber man / frau wird nicht satt davon. Kindergeld ist auch eine Transferleistung der Kinderlosen an die Kinderarmen. Kinderreiche haben wir ja kaum noch.

Kindergeld hält Frauen aus Mittelschichts- oder Gutverdienerfamilien davon ab, sich Arbeit zu suchen. Diese Frauen verweigern das Outsourcing der Erziehung, verzichten auf Geld und Lebensstandard; sie treiben durch die Verknappung der Arbeitskräfte die Löhne in die Höhe.

Streicht das Kindergeld, um die Frauen zur Mitarbeit zu zwingen. Wenn die nicht einsehen wollen, dass Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung nur über abhängige Beschäftigungsverhältnisse (in denen frau sich den Sexismus des Chefs gefallen lassen muss) möglich ist, aber nicht als Hausfrau / Hausmann und Mutter / Vater, dann müssen wir hier über das Geld die Daumenschrauben anziehen.

Krankenversicherung

Wie es funktioniert: Ein Partner ist gesetzlich krankenversichert, zahlt monatlich Beiträge. Der andere Partner und gegebenenfalls die Kinder sind mitversichert – ohne einen Cent extra zu zahlen.

Stimmt. Und warum ist dies so? Weil es eine Versicherung ist, die prozentual vom (Familien-) Einkommen erhoben wird. Wer sehr wenig verdient, zahlt weniger ein, als ein Mitglied durchschnittlich kostet, wer viel verdient zahlt sehr viel mehr ein. Wer sehr viel verdient, darf sich der Solidarität entziehen und privat versichern.

Nach Ansicht von Forschern des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) trägt der beitragsfreie Versicherungsschutz für Partner aber dazu bei, dass vor allem verheiratete Frauen eher davon abgehalten werden, einen sozialversicherungspflichtigen Job anzunehmen. Sie bleiben tendenziell eher zu Hause oder nehmen maximal einen Minijob an.

Dies ist doch ein ausschließlich arbeitsmarkpolitisches Argument. Da geht es nicht um Familienpolitik oder die Frage, wie steigern wir die Reproduktionsrate. „Ansicht“ und „tendenziell“ deuten darauf hin, dass dies eine wenig durch Fakten belegte Vermutung ist. Bei den Überlegungen meiner Frau wieder zu arbeiten spielte das Gehalt eine absolut untergeordnete Rolle. Outsourcing der Erziehung war einfach nicht möglich. Durch meinen Beruf war auch eine Teilung der Familienarbeit zeitweise unmöglich. Kinderbetreuung aus dem Indischen Ozean ist recht schwierig.

Es besteht ein kleiner Unterschied zwischen verheirateten Frauen mit und ohne Kinder. Bei verheirateten Frauen mit Kindern dürfte die Frage der Krankenversicherungsbeiträge nur eine geringe Rolle spielen – meine Vermutung. Fragen der Organisation der Kinderbetreuung ist wesentlicher. Erziehungs-Outsourcing ist nicht ganz preiswert und durch die erhöhte Mobilität sind Großeltern nicht unbedingt vor Ort.

Sollten sich kinderlose verheiratete Frauen lieber auf kosten ihres Partners durchs Leben schmarotzen und weigern, ihren Solidarbeitrag zur Renten und Krankenversicherung zu erwirtschaften?

Ehen dauern heute nicht immer seltener ein Leben lang. Da dürfte jede Frau über eigene Rentenansprüche nachdenken. Ein steuerfreier Mini-Job dürfte da wenig reizvoll sein. Und egal wie hoch der Beitrag. Am Ende bleibt etwas Netto vom Brutto und erhöht den Lebensstandard.

Auch hier besteht ein Transfersystem von kinderlosen Singles zu – kinderarmen – Familien. Wie wollen wir dieses System ändern? Es wird nur dann gehen, wenn die Armen mehr und die Reichen weniger zahlen. Der Unterschied zum Ehegattensplitting ist nicht sonderlich groß, auch wenn es keinen progressiven Beitrag gibt..

Fazit

Bevor der Spiegel solche Schlagzeilen produziert, sollte er nach Redakteuren suchen, die etwas von dem verstehen, über das sie schreiben.

Gute Nacht!