Wie kommt Geld in den Umlauf?

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Geld ist für uns das selbstverständlichste der Welt. Doch wie kommt es in die Welt und wer setzt es in die Welt. Die Antwort ist ganz einfach: Zentralbanken verleihen es. Aber woher haben die dieses Geld? Auch ganz einfach. Sie haben es nicht, sie drucken es einfach. Wobei drucken heutzutage nicht ganz wörtlich zu nehmen ist. Das wenigste Geld fließt heute in gedruckten Scheinen um die Welt. Der Transport ist viel zu langsam und teuer. Geld wird als virtuelles Geld zwischen Konten hin und her gebucht. Wieso funktioniert es?

Dazu möchte ich eine fiktive Geschichte einer Tauschbörse erzählen und zeigen, wie jeder sein eigenes Geld schaffen kann. Geht dass? Natürlich.

Eine Idee wird geboren

Schauen wir zurück in die Anfänge einer fiktiven Tauschbörse. Am Anfang unserer Geschichte waren wir der kreative Kopf einer Denkfabrik – think tank – eines Transportunternehmen, das darauf spezialisiert ist kleinen Pakete täglich an Haushalte auszuliefern. Unsere Autos fuhren voll zu den Haustüren und leer wieder zurück ins Auslieferungslager. Leerfahrten verursachen Kosten und bringen nichts ein. Unsere Denkfabrik bekam den Auftrag etwas dagegen zu unternehmen.

Warum fuhren die Autos leer zurück?

Die Leute bestellten im Internet bei großen Händlern, verschickten aber selten etwas an andere. Sicher ging manche Bestellung retour, aber dies war nur ein Bruchteil dessen, was wir hin transportierten. Außerdem brachten sie diese Sendungen selbst zu einer Filiale. Wollten wir Leerfahrten reduzieren, mussten wir Bedarf wecken etwas von einer Haustür zur anderen Haustür zu schicken. Die Menschen mussten sich gegenseitig etwas schicken. Dieses etwas würden sie an der Haustür an unseren Boten übergeben und schon würden unsere Autos nicht mehr leer zurück fahren. Aber was?

Bücher

Eines Abends vor der Bücherwand stellten wir uns die Frage: Welches Buch heute lesen? Wir hatten schon alle einmal gelesen. Mit dem letzten Buch waren wir gestern fertig. Ein neues musste her. Die Bücher waren gelesen und hatten ihren Zweck erfüllt; sie dienten nur noch der Zierde. Im Keller lagerten noch mehr Bücher – verschwendeter Wohnraum. Denn eigentlich waren diese Bücher für uns wertlos und nahmen nur Platz weg. Billiger wäre es gewesen, wir hätten sie weg geworfen, aber dazu waren die Bücher zu schade. Millionen Menschen ging und geht es genauso. Wer ein Buch lesen möchte, bestellt online ein neues, wir liefern es, er wird gelesen und wandert, weil noch neu, erst ins Regal und später in den Keller.

Wenn die Menschen ihre Bücher von Haus zu Haus schicken würden, dann könnten wir den Transportbedarf decken. Wir überlegten: Die Menschen müssten ihre Bücher miteinander tauschen – nicht von Nachbar zu Nachbar, sondern über uns. Natürlich könnten sie bei Amazon ihre alten Bücher verkaufen. Aber was ist dort ein vernünftiger Wert. Der Preis musste deutlich unter Neupreis minus Versandkosten liegen, sonst kauft jeder ein neues Buch. Eigentlich müssten gebrauchte Bücher nichts kosten, mit dem Lesen verloren zumindest die meisten Bücher ihren Wert für den Besitzer. Nur wenige Bücher werden zweimal gelesen. Statt sie im Regal oder Keller zu lagern können wir sie an andere weitergeben, ohne etwas zu verlieren. Die Leute mussten Bücher gegen Bücher tauschen. Die Idee war geboren. Wir eröffneten eine Büchertauschbörse im Internet. Warum sollten wir uns auf Bücher beschränken? Wir transportierten alles. Für den Anfang wollten wir uns jedoch auf Bücher beschränken. Bücher gab und gibt es massenhaft, sie nutzen sich durch lesen wenig ab. Kleine Qualitätsunterschiede (Abnutzungen) schaden dem Gebrauchswert nicht sonderlich. Würden die Leute eine 10 Jahre alte Kaffeemaschine tauschen? Kaum. Für ein Buch sind zehn Jahre kein Alter.

Die Bücher mussten möglichst kostenlos sein, was bedeutete, dass die Menschen Buch gegen Buch tauschen mussten. Die Menschen sollten ihr Geld ausschließlich für unseren Transportdienst ausgeben, nicht in Bücher investieren. Auch der Betrieb der Tauschbörse durfte den Teilnehmern nichts kosten; er musste in die Transportkosten eingerechnet werden. Alles sollte kostenlos sein oder den Eindruck des kostenlosen vermitteln, nur der Versand nicht.

Die Menschen könnten Buch gegen Buch tauschen. Die Bücher sind bezahlt, liegen nur nutzlos und damit wertlos im Regal oder Keller, aber das hatten wir schon.

Die Tauschbörse

Der Vorstand konnte für die Idee gewonnen werden und billigte das Projekt sowie eine großzügige Anschubfinanzierung. Nach einigen Wochen harter Arbeit war es so weit: Unsere Tauschbörse ging ans Netz. Jeder konnte Bücher anbieten und suchen. Es war ein alternatives Lebensmodell, postmoderner Handel ohne Geld, Steuern und sonstige staatliche Gängelung. Kapitalismus ade. Jeder tauschte nur seine Bücher mit anderen. Alles was nach Geld klingt war verpönt und strikt zu vermeiden. Eine Task-Force erstellte eine Blacklist der Wörter mit Geldbezug.

Suchte jemand ein Buch, stellte er einen Tauschvorschlag ein, schrieb dazu was er suchte und dafür im Gegenzug bot oder umgekehrt. Hatte sich ein Tauschpartner gefunden, boten wir für den Transport einen besonderen Service zu einem günstigen Preis an: Die Partner nahm das zu verschickende Buch aus dem Regal und legten es an ihren Postkasten. Kleiner Zettel mit der Tauschnummer genügte unserem Boten. Aber auch ohne diesen Zettel ging es, wenn nur ein Buch dort lag. Der Bote holte das Buch mit einem von uns vorbereiteten Transportbehälter ab, der Partner hatte sein Buch am nächsten Werktag im Postkasten. Die geringe Transportgebühr wurde beiden Tauschpartner per Lastschrift vom Girokonto abgebucht.

Unser Finanzmanager, ein kleiner, untersetzter Typ mit einer altmodischen dicken Hornbrille, notorischer Spielverderber und Pfennigfuchser, warnte nur: „Meine Damen und Herren, es wird nicht funktionieren. So nicht! Es ist sinnlos den ausgestorbenen Tauschhandel der Steinzeit im 21. Jahrhundert wiederbeleben zu wollen.“ Aber wer hört schon auf Spielverderber.

Die Werbung lief; wir hielten unsere Mitarbeite an eigene Bücher – soweit sie sich von ihnen trennen mochten – anzubieten. Dazu wurden „virtuelle Anbieter“ eingerichtet, die extra auf den Flohmärkten erstandene Bücher einstellten, damit zum Start ein Grundangebot vorhanden war. Eine unnötige Maßnahmen, denn die Nutzer stellten noch mehr Bücher ein;

… unsere Autos fuhren weiterhin leer zurück.

Probleme beim Tauschen

Eine Task-Force wurde in Leben gerufen um nach der Ursache zu forschen. Zwar hatten wir viele Kunden, aber die tauschten zu wenig Bücher.

In den extra eingerichteten Foren bescherten sich die Kunden, dass kaum Tauschvorgänge zustande kamen. Eine genaue Analyse ergab, dass 95% der Bücher mit uns getauscht wurden, weil wir alle Bücher abnahmen und sofort wieder einstellten. Unser Finanzmanager wies darauf hin, dass dies sehr schlecht war, weil wir zwei Bücher transportierten, aber nur einmal Geld einnahmen. Aber auch unsere Tauschgeschäfte sanken in der Folge rapide. Die Analyse des Buchbestandes ergab, dass sich immer mehr „Schrott“ in unserem Angebot sammelte. Die Nutzer tauschten unsere guten Bücher gegen ihre schlechten ein. Zwar fanden sich einige Power-User, die auch jedes Buch abnahmen, aber nur wenn es deutlich höherwertiger war als das eigene.

Raten Sie mal, wer gesagt hat: „Was hab ich Ihnen gesagt?“

Eine Analyse der Tauschvorschläge ergab, dass es fast jedes gewünschte Buch gab, aber die Kunden wurden nicht handelseinig. Nutzer A hatte Buch 1 und wollte Buch 2, Nutzer B wollte zwar Buch 1 hatte aber nur Buch 3. Oder ein Buch war so hochwertig, dass der Besitzer es nicht gegen ein einfaches Buch tauschen wollte. Das B nun Buch 3 mit C tauschte, der Buch 2 hatte, scheitert daran, dass C lieber Buch 4 wollte. Verwirrt? Unsere Nutzer auch. Die Organisation eines entsprechenden Tauschgeschäftes ist den Nutzern zu komplex. Für den Kunden B wäre es sehr teuer gewesen, mit mehreren anderen Nutzern zu tauschen, um letztendlich das benötigte Buch 2 einzutauschen, um diese dann endlich gegen das gewünschte Buch 1 tauschen zu können. Dies wäre zwar für unser Transportgeschäft ideal, aber den Nutzern waren die Transportkosten (auch Transaktionskosten genannt) zu hoch.

Abhilfe musste her. Der Computer würde es richten. Ein entsprechendes Programm könnte im Bruchteil einer Sekunde einen Vorschlag entwickeln, wie ein mehrere Kunden zu ihrem gewünschte Buch kommen.

Wir schrieben uns ein Programm, das den Nutzern geschlossene Tauschringe vorschlug. Dieses Programm suchte nach Ringen bei denen A sein Buch 1 an B schickt, B dafür Buch 3 an F, F Buch 4 an C, usw. In unserem Testsystem funktionierte es hervorragend.

Die Einführung wurde als große Innovation des Tauschen angepriesen und beworben.

Unseren Autos fuhren weiterhin leer zurück.

Wieder suchte ein Krisenstab nach den Ursachen und fand heraus: Die Kunden vertrauten unseren vorgeschlagenen langen Ketten nicht sonderlich. Wenn ein Kunde dem Ringtausch nicht zustimmte, platzt der ganze Tausch. Außerdem gab es Ärger, wenn ein Kunde sein Buch nicht verschickte. Das eigene Buch war weg, aber das gewünschte kam nie an. Viele Kunden wussten auch nicht, welches Buch sie genau wollten. Der Versuch der Tauschringe scheiterte kläglich.

Ein einheitliches Tauschobjekt: Book-Points

Damit sich das ganze Unternehmen rechnete brauchten wir dringend mehr verschickte Bücher. Es gab nur eine Möglichkeit: Wir mussten unabhängig von Tauschpaaren oder Tauschringen werden. Das ein Kunde einfach sein Buch an jemanden schickte, der es haben wollte war auszuschließen. Die in Foren gezielt gestreute Idee wurde verrissen. Die Unabhängigkeit konnte nur erreicht werden, wenn der Abnehmer statt des gewünschten Buches etwas geben durfte, was sein Tauschpartner bei einem Dritten gegen sein gewünschtes Buch tauschen konnte.

Die Einführung eines neutralen Buchgutschein wurde verworfen. Ein wertneutraler Buchgutschein erfüllte nicht das Bedürfnis einen angemessenen Gegenwert für sein Buch zu erhalten. Die Befürchtung lautete, die Leute würden einen Buchgutschein für ein Groschenheft erwerben und danach in ein wertvolles Lexikon eintauschen wollen. Nein, das Tauschobjekt müsste auch den Wert des Buches symbolisieren. Eigentlich wollten wir das böse Geld aus dem Tauschgeschäft heraus halten. Die Leute sollen den Eindruck haben, dass alles kostenlos ist.

Einzige Lösung: Die Bücher mussten in etwas anderes, wertloses getauscht werden, das keinen Bezug zum realen Geld hatte. Trotzdem musste das Gefühl, mein Buch ist aber wertvoller als dein Buch bedient werden.

Wir entschlossen uns Buchpunkte oder book-points (BP) einzuführen. Jedes Nutzerkonto wurde um einen Buchpunktestand erweitert und man konnte für ein Buch auch Buchpunkte anbieten – oder ein Buch plus Buchpunkte. Die Software ist schnell erweitert. Unser eigenes Angebot ergänzten wir vor der Einführung um die gewünschten book-points. Ziel war, den Nutzern eine Orientierungshilfe zu geben. Um die Bewertung entbrannte ein Streit. Grundsätzlich sollte die Bewertung nichts mit dem Neupreis zu tun haben und schon gar nicht mit richtigen Geld. Ein BP pro Euro Neupreis verbot sich daher. Die BP sollten nicht in Euro umgewandelt werden können. Wir würden keine BP verkaufen und keine BP in Euro auszahlen. Die Kunden sollten sich BP durch das Anbieten und verschicken von Büchern erwerben.

Als Orientierung für den Preis – wir strichen Preis sofort und nannten ihn Buchwert oder book-value (BV) – fiel uns nach langen Diskussionen nichts besseres als der Neupreis ein. Ein Probelauf im Testsystem zeigte, dass die Preise – Verzeihung die Buchwerte – im unteren Wertsegment fein abgestuft sein mussten. Die Einführung von Micro BP – 10, 100 oder 1000 MBP gleich 1 BP – wurde diskutiert; wegen der Ähnlichkeit mit Cent oder Pfennigen verworfen. Ähnlichkeiten mit Geld waren zu vermeiden. Schließlich wurde beschlossen: Wir bieten unsere neuere Bücher mit einem BP des 1,75-fachen des Neupreis an. Der Preis wurde nach Alter gestaffelt. Ein Jahr alt 75%, 2 bis 4 Jahre alte Bücher zu 50%, alle älteren Bücher 25%.

Wer ein Buch anbot, bekam vom Partner die BP auf seinem Konto gut geschrieben, dass andere Konto wurde entsprechend belastet. BP bekam man nur durch anbietet und verschicken eines Buches. Die Suche mehr nach Tauschpartnern entfiel. Nur für seine Bücher erhielt man BP, mit denen man bei anderen die gesuchten Bücher eintauschen konnte.

Mit großem Werbeaufwand kündigten wir die Einführung der BP an. Der große Tag kam. Unser Geschäftsführer sollte mit einem C-Promi den roten Knopf drücken und die BP starten. Das Ereignis wurde im Internet übertragen. Noch nie waren so viele Nutzer gleichzeitig online. Für den ersten, zehnten, hundertsten und tausendsten Tausch eines Buches mit BP sollte es einen Preis geben. Wir haben extra von jedem Buch der aktuellen Bestseller zehn Exemplare erworben und für ein BP eingestellt. Gespannt wartete alles auf den ersten Kauf. Nichts geschah. Kein Handel. Nicht einer bot BP für irgendein Bücher. Mit einem derartigen Flop hatten wir nicht gerechnet. Die Reaktionen in den Foren war doch zu 99% positiv gewesen.

Die Telefon standen nicht mehr still. Wie sie an die BP kommen sollten, wollten unsere Nutzer wissen. Die vorbereitete Antwort „Indem Sie ein Buch verkaufen“ löste Gelächter am anderen Ende der Leitung aus. Um die Situation zu retten, wurde ein Programmierer beauftragt von seinem Konto auf mehrere Bücher zu bieten. Bevor der Jurist einschreiten konnte, gab der Mitarbeiter zu bedenken, dass er auch noch keine BP hatte mit denen er bieten konnte.

Ein Krisenstab wurde einberufen und beriet hektisch im Hintergrund. Warum haben die Nutzer keine BP? Im Testsystem hatte doch alles funktioniert. Der Chef-Programmierer läuft blass an. Niemand hatte BP. Im Testsystem waren auf verschiedenen Konten BP per Hand eingetragen und nie gelöscht worden. Deshalb hatte dort alles funktioniert. Eine kurze Abfrage über alle Konten ergab, die Summe aller BP war 0. (Der Video-Stream bricht rein zufällig wegen eines technischen Defekts ab.) Eine Lösung musste her.

Book-Points verschenken

„Wir entschuldigen uns für eine technische Panne schenken jedem Nutzer als Ausgleich für den Ärger 100 BP“, schlug unser Finanzmanager, den keiner so richtig mochte, weil er immer auf die schlechten Zahlen hinwies, vor und blickte in erstaunte Gesichter. „Die Zentralbanken machen es ähnlich. Sie leihen anderen Banken Geld, das sie nicht haben. Sie bedrucken einfach kleine Papierzettel mit Zahlen und geben sie als Geld aus. Geldscheine sind auch nur ungedeckt Schecks. Wo ist das Problem? Solange die Leute glauben, sie wären etwas wert und dafür etwas kaufen können, ist doch alles in Ordnung. Es will hier zwar keiner hören, aber mit den BP haben Sie eine Währung, Geld, geschaffen meine Damen und Herren. Sie sollten sich daher mit den Gesetzen des Geldes beschäftigen, sonst leidet auch dieser Ansatz Schiffbruch. Aber das wollen sich vermutlich nicht hören. Um die Situation fürs erste zu retten kann ich nur sagen: Die Leute wollen book-points, wir geben ihnen book-points. Wir drucken book-points und verschenken sie.“ – „Geniale Idee. Die book-points kosten uns keinen Pfennig. Wir können den Nutzern beliebig viele BP auf die Konten … eintragen.“ – Der Finanzmanager rollte mit den Augen. – „Wie lange dauert es auf alle Konten 100 BP zu buchen?“, wollte der Geschäftsführer wissen. „Mit einem einfachen Befehl wäre es getan. Vielleicht eine viertel Stunde.“ Nach kurzer Beratung wurde ein weiterer technischer Defekt vorgetäuscht, damit Nutzer bei der Operation am offenen Herzen nicht mit book-points handelten. Schließlich war das System nach einer halben Stunde wieder verfügbar. Jeder Kunde hatte 100 BP auf dem Konto – Buchpunktestand.

Den Rest des Tages lief glatt. Zwar waren nicht mehr so viele Nutzer online wie beim missglückten Start, aber es wurde ordentlich getauscht. Es würden Bücher getauscht wie nie zuvor. Der tausendste Tausch mit BP war innerhalb einer Viertelstunde erreicht. Die Tauschvorgänge stiegen in den nächsten Tagen rasant an. Wir hatten den Durchbruch geschafft. Nur unser Finanzmanager mahnte, wir würden uns zu früh freuen.

Es sollte wieder einmal Recht behalten. Eine Woche später brach die Zahl der Tauschvorgänge wieder ein. In den täglichen Krisensitzungen herrschte tiefe Ratlosigkeit. Nach der zweiten Woche und nur einer geringen Steigerung der Tauschvorgänge wurde in den Raum geworfen: „Vielleicht weiß ja unserer ober schlauer Finanzmanager Rat.“

Der Geldkreislauf

Der Finanzmanager, der meist zusammengesunken in seinem Sessel saß, richtete sich auf und rückte sich zurecht und schaute in die Runde.

„Meine Damen und Herren, wenn Sie mir jetzt bitte geduldig zuhören wollen, dann werde ich Ihnen alles erklären.“

Dass der Tauschhandel zwar durchaus möglich, aber für unseren Zweck möglichst viele Bücher zu transportieren ungeeignet war, hätten wir ja erkannt, hob er an. Der Lösungsansatz mit den Tauschringen war zwar grundsätzlich nicht schlecht, konnte aber auch nicht zu viel Handel führen. Für unseren Erfolg war die Menge des Handels ausschlaggebend. Wir profitierten nur, wenn wir Bücher transportieren konnten. Wer aber genau hinsah, stellte fest, dass Bücher nur in engen Wertspannen gehandelt wurden. Niemand suchte einen Groschenroman gegen eine Enzyklopädie. Zwei Bücher mussten ungefähr gleichwertig sein. Stieg oder sank der Wert der Bücher langsam, dann konnte der Ring nicht mehr geschlossen werden. Es gaben sich zu wenige Ringe. Abgesehen davon misstrauten die Kunden sehr langen Ringen.

Unsere letzte Idee wäre unsere beste gewesen. Das Tauschen musste über einen neutralen Wertspeicher erfolgen.

Geld hat drei Eigenschaften, erläuterte er. Erstens musst es Werte speichern können. BP im BP-Stand eines Kontos speicherten einer Wert hervorragend. Wer heute ein Buch für 10 BP verkaufte, konnte sich sofort, in zehn Tagen oder erst drei Monaten ein anderes Buch für diese 10 BP kaufen. Zweitens muss Geld als Tauschmittel allgemein akzeptiert werden. Auch dieses Kriterium erfüllen unseren BP. Die Leute wollen sie haben und solange unsere Plattform läuft können sie bei jedem anderen Nutzer BP gegen Bücher hin und her tauschen. Drittens muss das Tauschmittel eine Einheit haben und skalierbar sein. Dies erfüllen unsere BP ideal. Wer ein Buch für 10 BP verkauft, konnte sich auch zwei Bücher für 5 BP kaufen oder drei Bücher für 5, 3 und 2 BP.

„Unsere BP erfüllen alle Eigenschaften, die Geld haben muss. Sie sind Geld. Und da ich für die Finanzen, das Geld, zuständig bin, habe ich mir die Konten unserer Nutzer angesehen und folgendes festgestellt“, fuhr er fort. Aufkommender Widerspruch wurde vom Geschäftsführer mit der Anmerkung: Lassen Sie ihn ausreden, unterbunden.

Die Idee war anfangs auch sehr erfolgreich. Der Bann war gebrochen. Die Nutzer hatten für die geschenkten BP in Bücher erstanden, solange bis die 100 BP verbraucht waren. Und so wäre es weiter gegangen, wenn da nicht die Struktur unserer Kunden gewesen wäre. BP flossen nur dann zu einem Kunden zurück, wenn jemand anderes eine Buch bei ihm kaufte. Ja, kaufte. Nun gab es einige Nutzer, die fast nur Bücher anboten und ganz selten Bücher kauften. Die BP stapelten sich auf ihren Konten. Wir selbst boten nur Bücher an, aber die meisten tauschten nicht gegen andere Bücher sondern gegen BP. Auch auf unseren Konten sammelten sich die BP. Die BP flossen nicht zu den Leuten zurück. Ergebnis: Die meisten Leute hatten ihre BP verbraucht.

„Eigentlich hätte der Handel ganz erliegen müssen. Sehr wenige Käufer haben noch BP und für den Rest gibt es keinen Nachschub. Nein, bitte keine neuen Schenkungen. Warten Sie bitte bis ich fertig bin. Sie glauben, sie haben alles getan um zu verhindern, dass BP etwas mit Geld zu tun haben. Sie irren. Ich habe mir heute, vor dieser Sitzung, für 30 Euro 100 BP gekauft, hier ist mein Kontoauszug.“

Unser Finanzmanager erklärte, dass er mit einem Kunden Verbindung aufgenommen hatte, der sehr viele Bücher verkauft hatte. Er hatte vorgegeben, eine bestimmtes Buch haben zu wollen, gab aber vor keine BP mehr zu haben. Ob er in Euro zahlen könnte, hatte gefragt. Der Kunde schlug ihm vor, stattdessen ihm für 30 Euro 100 BP zu verkaufen. Wie dies gehen solle, hatte er ihn gefragt, man könne doch BP nicht von einem Nutzer zum anderen übertragen. Doch erläuterte der Kunde, dass wenn unser Finanzmanager ihm 30 Euro überweisen würde, würde er bei ihm ein Buch – seinetwegen ein Groschenroman oder Comic – für 100 BP kaufen. Schon hätte er die 100 BP auf den Konto. Wenn unser Finanzmanager ein Buch hätte, dass ihn interessieren würde, würde er 100 BP mehr zahlen, als das Buch wert wäre. Das wäre zwar etwa umständlich, aber ein einfacher Weg um an BP zu kommen. Er hatte unseren Finanzmanager sogar auf eine Web-Seite hingewiesen, auf der man BP anbieten und kaufen konnte. Ein BP wurde dort für etwa 30 Cent gehandelt.

„Wir hatten ein längeres Gespräch und erläuterte mir, dass er dies vorbereitet hatte, seit wir die Einführung der BP angekündigten. Unser Kunde hatte sofort erkannt, dass diese BP einen Geldwert darstellen und einen Weg gefunden, sie in Euro zu tauschen. Der Tausch erfolgt auf der einen Seite innerhalb der Tauschbörse und auf der anderen außerhalb. So werden aus unseren virtuellen BP reale Euros – Euroscheine. Als wir jedem unserer 100.000 Nutzer 100 BP schenkten, haben wir tatsächlich mal eben 3 Millionen Euro in die Welt gesetzt, die wir jetzt zum Kreisen bringen müssen.“

Unser Finanzmanager schlug vor, diesen Handel zu erleichtern. Es sollte eine Funktion zum Übertragen von BP von einem Nutzer zum anderen geben. Die Kunden sollten untereinander BP gegen Euro kaufen und verkaufen können. Auch sollte jeder Kunde sich bei uns BP leihen können. Das sollte dazu dienen, dass wir die Menge der BP steuern konnten.

Mit diesen Maßnahmen kam Schwung in den Büchertausch, der eigentlich kein Tausch mehr war. Unsere Autos fuhren immer noch leer zurück. Viele kauften sich lieber BP statt sich die Mühe zu machen, alte Bücher anzubieten. Aber wir verdienten daran, dass wir BP zu einem niedrigeren Preis zurück nahmen als wir sie verkauften und an den Zinsgewinnen der eingezahlten Gelder, denn die BP auf den Konten wurden natürlich nicht verzinst. Wer bei uns BP erwarb, gab uns einen kostenlosen Kredit.

Die Geschichte könnte jetzt noch weiter gehen, aber ich hab keine Lust mehr sie weiter zu spinnen. Innerhalb der Tauschbörse müssen wir die Menge der BP kontrollieren. Würden wir per „Geschenk“ allen Kunden nochmals 100 BP zukommen lassen, würden wir die Geldmenge erhöhen, was einen Einfluss auf die Preise in der Tauschbörse aber auch den Tauschkurs in der realen Welt hat. Wir müssen verhindern, dass BP sich einzelnen Konten sammeln und von dort nicht weiter fließen. Da Nutzer BP an andere übertragen können, könnten sie sich BP auch gegen Zinsen leihen, ohne dass wir etwas dagegen tun können. Kurz: Es könnte eine kompletter Geldkreislauf entstehen.

Fazit

Die Geschichte zeigt, dass Tauschhandel am besten über Geld funktioniert. Wenn es kein Geld gibt, wird es erfunden werden. Virtuelles Geld lässt sich in reales Geld tauschen, wenn die Menschen dem Versprechen „Ich werde gegen Rückgabe dieses Geldes für dich arbeiten“ vertrauen.

Ein anderes Beispiel: Second-life hat seine Lindendollar (L$) und ein Börsen für den Tausch der L$ in US$ gibt es auch.

Eine Verbindung der virtuellen Welt mit der realen ist nicht zu verhindern.