Das NSA Data Center und das Yottabyte Märchen

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Die NSA baut in Bluffdale, Utah, das größte Datenspeicherzentrum der Vereinigten Staaten. James Bramford[ref]wired.com: James Bamford – The NSA Is Building the Country’s Biggest Spy Center (Watch What You Say); 15. März 2012[/ref][ref]heise.de: George Orwell wird von der Realität überholt; 19. März 2012[/ref], ein Autor zahlreicher Bücher über die NSA, spekuliert, dass der Speicherplatz ein Yottabyte betragen soll. Ein Yottabyte sind 1024 Byte oder 1 Billionen Terabyte. Bei etwa zehn Milliarden Menschen würde dies bedeuten, dass 100 Terabyte pro Mensch gespeichert werden könnten. Diese Zahl stammt wahrscheinlich aus einer Architektur Vision des Department of Defence (DoD) – auch Pentagon genannt, von 2007. Schon früher wurde diese Zahl kritisch in Kommentaren hinterfragt, ohne die Quelle zu konsultieren. Am 26. Juni 2013 hat Mark Burnett[ref]xato.net: Mark Burnett – Dear NSA, I Don’t Think You Meant Yottabytes vom 26. Juni 2013[/ref] vorgerechnet, dass diese Zahl völlig utopisch ist. (Man beachte: In der Englischen Sprache gibt es keine Zahlen mit -iarden. Eine Milliarde sind im Englischen „one billion“, eine Billion sind „one trillion“.) Trotzdem taucht diese Zahl immer wieder in der „Fachpresse“, so jüngst im c’t Magazin[ref]heise.de: c’t Magazin – Holger Bleich – Globaler Abhörwahn -Wie digitale Kommunikation belauscht wird; 16/2013[/ref] auf.

Die Kosten des Datenspeicherzentrums werden mit ca. 2 Milliarden Dollar angegeben. Das Terabyte würde damit nur 0,2 Cent kosten. Da sind Tempotaschentücher deutlich teurer.

Ist die NSA oder das Pentagon nun völlig verblödet? Mitnichten.

Die Quelle der Spekulation

Quelle dieses Märchens dürfte folgende Passage aus der Department of Defense – Global Information Grid (GIG) – Architectural Vision[ref]msco.mil: Department of Defense – Global Information Grid – Architectural Vision; 2007[/ref] sein:

Key target GIG technologies include:

* Very large scale data storage, delivery, and transmission technologies that support the need to index and retain streaming video and other information coming from the expanding array of theater
airborne and other sensor networks. The target GIG supports capacities exceeding exabytes (1018 bytes) and possibly yottabytes (1024 bytes) of data.

Dies ist die einzige Stelle im Dokument, die den Begriff Yottabyte oder Exabyte enthält. James Bamford verwendet Yottabyte in seinem Artikel sechsmal. Auch als er erklärt, dass ein Yottabyte eine Millionen Exabyte sind, und der gesamte Internetverkehr eines Jahres 2015 etwa 966 Exabyte betragen wird. Merkt er nicht, dass ein Yottabyte Speicher völlig übertrieben wäre. Es würde 1.000 Jahre dauern, den Speicher zu füllen.

Weiter vorne im DoD Papier steht das Ziel der Architektur Vision:

The purpose of the GIG Architectural Vision is to describe the target – and, thereby, provide direction – for the development of GIG capabilities that will support DoD missions, operations, and functions in the future.

Dies klingt doch schon ganz anders. (Das GIG des DoD hat überhaupt nichts mit dem zu tun, was die NSA mit den Rechenzentrum in Utah angeblich vorhat.) Eine Architektur Vision ist kein Beschaffungsvertrag. Aus der Architektur Vision abzuleiten, es sollten Yottabyte an Speicher beschafft werden, ist so als würden man aus dem Internet Protocol Version 6 (IPv6) schließen, jemand wollte 4*1038 Rechner auf der Welt vernetzen.

Umrechnungen ins metrische System

Angegeben wird die Größe des Gebäudekomplex mit 1 bis 1,5 Millionen Quadratfuß[ref]foxnews.com: What we know about the NSA’s secret data data warehouse in Utah ; 13. Juni 2013[/ref], 10% davon verteilen sich auf 4 Rechenzentren, was gerne Frank Patalong 1:1 in Quadratmeter umrechnet[ref]spiegel.de: Frank Patalong – Daten-Überwachungszentrum in Utah: Festung der Cyberspione; 8. Juni 2013[/ref], obwohl ein Quadratmeter knapp 11 Quadratfuß sind. Bei James Bamford sind es vier Räume mit ca. 25.000 Quadratfuß oder 2.500 Quadratmeter (Bei den Schätzungen lohnt es sich nicht, genauer zu rechnen.) Womit wir auf etwa 10.000 Quadratmeter kämen. Für Administration und Technische Unterstützung sind laut James Bamford mehr als 900.000 Quadratfuß oder etwa 85.000 Quadratmeter vorgesehen, was für 3.000 bis 5.000 Mitarbeiter vor Ort reichen könnte.

Wieviel geht hinein?

Die CIA setzt auf Cleversafe[ref]Das Storage-Magazin: CIA setzt auf 10-Exabyte-System von Cleversafe; 2. Februar 2012[/ref] und ein 10 Exabyte Rechenzentrum mit 5 Millionen 2 TB-Platten. Ein Einschub Slicestor® 1440[ref]Cleversafe: Produkt Portfolio; abgerufen 15.07.2013[/ref] mit 4 Höheneinheiten bringt es auf 144 Terabyte (36 Platten a 4 TB). 10 Einschübe übereinander im Rack und ein Rack pro Quadratmeter (da wird es schon sehr eng und es bleibt kaum Platz für Server, Stromversorgung, Abluft oder Verkehrswege), bringen 1440 Terabyte, also etwa drei Zehnerpotenzen. Dies auf etwa 10.000 Quadratmeter (vier Zehnerpotenzen), dann sind wir bei etwa 1012*103*104 = 1019 Byte = 10 Exabyte. Mehr geht nicht rein. Realistisch dürfte das Rechenzentrum der NSA somit in der Größe des von der CIA geplanten Rechenzentrums liegen. Stand 2012 soll ein Portable Datacenter (PD) von Cleversafe aus 21 Racks mit 189 Storage Nodes a 45 Festplatten mit 3 Terabyte bestehen. Das wären 25 Pentabyte. Für 10 Exabyte würden 400 PD benötigt. Cleversafe betreibt davon aber (Stand 2012) nur 35 in 16 Rechenzentren über die USA verteilt. Da ist aber Musik drin. Mit dem CIA Rechenzentrum verzehnfacht sich die Zahl der Installationen. Leute kauft Cleversafe Aktien, wenn es welche gibt.

Sind 10 Exabyte viel?

Besser reichen 10 Exabyte aus? Immerhin sind 10 Exabyte nur 1% des geschätzten Internetverkehrs des Jahre 2015 mit 966 Exabyte. Der gesamte verkehr ließe sich gerade 3 Tage speichern. Aber in den 966 Exabyte ist auch ein Millionenfacher Download eines Youtube Video enthalten, jeder Porno, jedes Bild, jede Spam-Mail, … einfach alles. Es gibt keinen Grund all diesen Schwachsinn zu speichern. Wenn der Schwachsinn 99% ausmacht, dann würden 10 Exabyte locker ausreichen um die sinnvollen Inhalte vollständig zu speichern.

Würden eine Milliarde Menschen jeden Tag 1 Stunde mit ISDN Qualität telefonieren, würden die 10 Exabyte ausreichen, alle Gespräche eines Jahres zu speichern. Dazu müsste jemand nur 3 Terabit pro Sekunde in das Rechenzentrum schaffen, was nicht gerade eine triviale Aufgabe ist. Rückrechnung: Um Daten bis zu ein Jahr vor zu halten und 10 Exabyte auszunutzen, müssen 3,2 Terabit pro Sekunde in das Rechenzentrum fließen. Immerhin 1% des gesamten Netzverkehrs, der auch zum Rechenzentrum der CIA muss. Dann kann die Filterung aber nicht erst im Rechenzentrum erfolgen.

Pro Gespräch fallen etwa 30 Megabyte unkomprimierte Daten an. Für die Metadaten nur wenige Byte. Zwei Telefonnummern, zwei Zeitstempel, keine 100 Byte. Um nur Metadaten der Kommunikation zu speichern sind 10 Exabyte doch deutlich übertrieben.

Gegenrechnung: Bei 10 Exabyte stehen für jeden Menschen auf der Erde etwa 1 Gigabyte Speicher zur Verfügung, was für 1.000 Bilder in passabler Qualität reichen würde oder Metadaten für 10 Millionen Telefongespräche. Liebe NSA, so viel kann ich beim besten Willen nicht telefonieren. Wenn ich 10 pro Tag schaffe, käme ich in 100 Jahren nur auf 365.000, an Schalttagen brauche ich meine Ruhe. Und SMS schaffe ich kaum eine am Tag.

Genug für heute, gute Nacht

4 Kommentare

  1. Hallo, hochinterssanter Beitrag. Unbedingt an Herrn Schirrmacher schicken, der heute (25.8.13) in der FAS diese Zahl ungeprüft verwendet.

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