Monkeypox oder Affenpocken waren vor einigen Monaten die große neue Bedrohung. Auf der einen Seite wurden sie heruntergespielt auf der anderen Seite als neue Bedrohung dargestellt. Für beide Positionen gab es gute und schlechte Gründe. Alles zwischen best case und worst case wurde durch die sozialen Medien getrieben.
Die Entwicklung der Fallzahlen lässt sich zu Beginn und zum Ende eines Ausbruchs sehr gut durch eine Exponentialfunktion interpolieren. Das Problem ist die Extrapolation. Anfangs sind die Fallzahlen relativ klein zur Bevölkerung, sodass man diese als quasi ∞ ansehen kann. Aber das ist sie nun mal nicht und deshalb dürfen die Annäherungen nicht beliebig weit in die Zukunft extrapoliert werden.
Bei den Affenpocken kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: Sie übertrugen sich hauptsächlich zwischen Männern, die Sex mit Männern haben. Abkürzung MSM. Nun gab es zwei Möglichkeiten:
- Der Übertragungsweg ist so speziell, dass er nur unter MSM funktioniert
- Der Übertragungsweg funktioniert auch außerhalb er MSM.
Zu Beginn war nicht klar, ob Punkt 1 oder 2 zutrifft. Die erste Frage war also, würde das Virus aus dieser Gruppe ausbrechen und sich in der Bevölkerung ausbreiten können. Im best case wäre das nicht möglich gewesen, im worst case wäre der Virus aus dem Cluster der MSM ausgebrochen und hätte sich in der Bevölkerung genauso gut verbreitet wie unter den MSM.
Es hat mehrere Wochen gedauert, bis die ersten Frauen infiziert waren. Dies hat jedoch bis heute nicht zu einem Ausbruch in der Gesamtbevölkerung geführt. Offensichtlich ist der Übertragungsweg sehr speziell und funktioniert im Wesentlichen nur unter MSM. Möglicherweise gibt es auch wenige MSM, die auch Sex mit Frauen haben.
Im Fall 2, die Übertragung funktioniert auch unter Menschen, die nicht zu den MSM gehören, wäre ein Vorhersage der weiteren Entwicklung recht einfach, gewesen, weil die Größe der Bevölkerung bekannt ist. Im ersten Fall wird es schwierig, weil wir nicht wissen, wie groß diese Gruppe ist. Insbesondere müssen es promiskuitive Männer mit häufig wechselnden Partnern sein. In Deutschland bezeichnen sich 6,4 % der Männer als nicht ausschließlich heterosexuell. Damit wäre das Cluster der MSM nach oben abgeschätzt etwa bei etwa 2 Millionen.
Aber sind die alle ausreichend promiskuitiv, damit das Virus sich in der ganzen Gruppe verbreiten kann.
Nächste Frage ist, wie reagieren die Menschen auf diese Bedrohung. Wechselnde Partnerschaften – insbesondere mit Unbekannten – lassen sich leicht zu reduzieren.
Die Kurve verläuft wie es theoretisch nach einem SEIR Modell zu erwarten war. Die »Affenpocken-Pandemie« ist in Deutschland zu Ende, wir haben bisher 3679 Fälle. In den nächsten Wochen wird vielleicht ein Fall dazu kommen. Damit ist unser Clustern über 3680 Personen groß, wenn sich nahezu alle Infiziert haben. Das nehmen wir als Annahme für das folgende Diagramm, in dem wir die kumulierten Fallzahlen durch einen Sigmoiden annähern. Die Kurve ist zwar kein Sigmoid, er passt aber ungefähr so gut, wie die Annahme, dass die Erde eine Kugel ist. Genauer Funktionen bringen hier keine wirkliche Verbesserung.
3680 Personen sind etwa 0,00442 % der Bevölkerung Stand 31.12.2021. Wir nehmen jetzt einfach diese Schätzung und schauen uns andere Länder an. Dazu wechseln wir auf die Daten von Our World in Data.
Für Brasilien sieht das gar nicht so schlecht aus, aber unsere Schätzung ist etwas zu niedrig.
In Frankreich ist unsere Schätzung definitiv zu niedrig. Entweder gibt es mehr MSM in Frankreich oder die Franzosen haben sich anders verhalten. Noch größer ist die Abweichung in Spanien.
Entscheidend für eine Vorhersage der Entwicklung der Fallzahlen in einem Land war also
- die richtige Einschätzung, ob die Affenpocken aus dem Cluster der MSM ausbrechen könnten und
- die richtige Bestimmung der Größe des Clusters der MSM und ggf. ihr Verhalten.
Beides war am Anfang des Ausbruchs Hellseherei.
Nein, ich werde aus diesen Zahlen nicht darauf schließen, wie viele nicht ausschließlich heterosexuelle, promiskuitive Männer in den Ländern leben. Aber es wundert schon, dass sich in der oben zitierten Umfrage 6,6 % der spanischen Männer dazu bekannt haben und in Frankreich »nur« 4 %. (Wir erinnern uns Deutschland 6,4%)
Kurz: Zum Beginn des Ausbruches der Affenpocken war es mit dem vorhandenen Wissen nicht möglich, die Entwicklung abzuschätzen.
Zum Abschluss dürfen natürlich das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten nicht fehlen.
Auch hier geht der Ausbruch dem Ende entgegen, aber auf einem höheren Niveau als in Deutschland.
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