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Laura Himmelreichs Artikel habe ich gestern beim Frisör gelesen. Leider finde ich den vollständigen Artikel nicht online. Aber es gibt ein gutes Bild bei der BILD, das auch den wesentlichen Text erkennbar enthält. In allen Zitaten, die ich online finde, beginnt es mit dem Blick auf ihren Busen. Ohne Vorspiel. Angefangen hatte es aber viel früher – und die Journalisten hat sich an Brüderle herangemacht – für ein professionelles Interview – Nachts in einer Hotelbar.
Begonnen hat es nach Laura Himmelreichs Schilderung mit ihrer Frage, wie er es findet im fortgeschrittenen Alter zum Hoffnungsträger der Partei aufzusteigen. Leider gibt sie ihre Frage nicht wörtlich wieder. Mein erster Gedanke war: Saublöde Frage. Was erwartet sie für eine Antwort? Ist die Ausbildung der Journalisten so schlecht, dass ihnen keine besseren Fragen einfallen? (Bei der Frage kann sie froh sein, nicht mich gefragt zu haben.) Statt zu antworten, fragt Rainer Brüderle nach ihren Alter und geht wohl auch auf Nachfragen nicht auf diese Frage ein. Statt dessen schätzt er ihr Alter aufs Jahr genau richtig und sagt: „Mit Frauen in dem Alter kenne ich mich aus.“ Wenn er jetzt ein, zwei oder drei Töchter hätte, wäre dies eine völlig normale Antwort. Brüderle hat aber keine Kinder.
Laura Himmelreichs nächste Frage bezieht sich auf seine letzte Rede, wieder weicht Brüderle aus. Jetzt sollte auch der letzte Trottel — Pardon wie lautet die weibliche Form von Trottel? Trottelin? — erkennen, der Mann nicht über Politik reden; er möchte small talk.
Über Alkohol kommt es zum Oktoberfest, wo Laura Himmelreich durchaus Alkohol statt der Cola trinkt. Welcher Mann stellt sich jetzt die Frau gegenüber nicht im Dirndl vor? Jede Wette, dies ist nicht der erste Blick auf den Busen. „Im Dirndl sehen sie bestimmt fesch aus!“, wäre jetzt ein Kompliment, aber Brüderle sagt es deftiger. „Sie können ein Dirndl auch ausfüllen!“ Anzüglichkeit oder Kompliment? Andere hätten vielleicht „Holz vor der Hütten“ gesagt. — Ich kann mir diesen Link nicht verkneifen: Tolles Bild zum Thema. 🙂 —
Handkuss, Tanzkarte … und der folgende Dialog:
L.H.: „Herr Brüderle, sie sind Politiker, ich bin Journalistin!“
R.B.: „Politiker verfallen doch alle Journalistinnen.“
L.H.: „Ich finde es besser, wir halten das hier professionell.“
R.B.: „Am Ende sind wir doch alle Menschen.“
Joachim Gauck, Gerhard Schröder, Joschka Fischer, Franz Müntefering, Christian Lindner, Michael Vester, Matthias Platzeck, Jürgen Kleemann, … der Mann hat zumindest nicht ganz unrecht.
Warum sollten alte Politiker junge Journalistinnen diskriminieren und bei der Partnerwahl ausschließen?
MIch empfehle dazu eine Stip-Visite beim Tagesspiegel. Demnach ist sicher etwas Sexappeal der Macht dabei, aber auch ein ganz einfaches Problem: Für den Politiker, der monatelang keinen freien Abend hat, stellt sich schlicht die Frage: wo eine Frau hernehmen. Auch die meisten „Normalalos“ lernen ihre Partner am Arbeitsplatz kennen.
Ich will Herrn Brüderle nicht verteidigen; ein Meister der Komplimente und des Flirt ist er sicher nicht; wenn das unser Sexismus-Problem ist, bin ich beruhigt.
Warum erst jetzt?
Ganz einfach. Letztes Jahr gab es ein gutes Thema, das für Auflage sorgte. Wulff-Bashing. Im Jaunuar letzten Jahres sorgte ein geschenktes Bobby-Car für 50 € oder eine Urlaubsreise mit Freunden für ausreichend Auflage. Ein „Skandal“ über die missglückte Anmache eines Fraktionsvorsitzenden der FDP wäre im Medienrummel untergegangen. Es war schlicht wirtschaftlich nicht vertretbar dieses Pulver zu vertreten. Jetzt ist die FDP allen Unken trotzend nicht den letzten Schritt zum Abgrund gegangen, Philipp Rösler ist zwar nicht erstes Gesicht, sitzt aber fest im Sattel. Plagiatsaffären sind Alltag. Da muss dringend ein neues Thema – ein neues Opfer – her.
Möchte mir jemand erklären, dass die Wichtigkeit einer Sexismus-Debatte erst jetzt erkannt wurde? Eher zufällig, da ja eigentlich nicht beabsichtigt?
Anmerkung zum Schluss
Vertrauen kann man nur einmal verspielen. Ich fotografiere gern; es gibt für mich einen Grundsatz: Wenn Leute feiern und zu viel trinken, wird nicht fotografiert. Es sollte auch für Journalisten gelten: Was an der Hotelbar geschieht und gesagt wird, ist – solange es nicht kriminell ist – für die Öffentlichkeit tabu.
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