Frauenordination

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Um es gleich vorweg zu sagen: Ich bin Protestant. Dies sagt allerdings nicht viel über meine Meinung in verschiedenen Fragen.

Die Frage, ob Frauen zum Priester geweiht werden können, ist in der evangelischen Kirche in Deutschland zum Glück entschieden. Die Nase hoch tragen steht aber uns Protestanten nicht gut an, denn die völlige Gleichstellung der Frauen im Pfarramt gibt es erst seit dem 1.1.1978 und einige Landeskirchen haben noch etwas länger gebraucht. Das Meinungsspektrum in dieser Frage reicht in der evangelischen Kirche jedoch immer noch von Ablehnung (katholischer als der Papst) bis hin zum geltenden uneingeschränkten „Ja“.

Da das Thema zur Zeit wieder diskutiert wird, ergibt sich eine gute Gelegenheit einzelne Argumente zu beleuchten und die eigene Position zu bestimmen.

Grundsatz

Nach meinem Grundsatz „Die anderen sollen ihre Probleme lösen, ich löse meine“, trifft mich die Diskussion in der (oder eher über die?) katholischen Kirche wenig. Wer heiraten und als Priester Gottes Wort verkünden will, findet eine passende Kirche oder christliche Gemeinschaft. Vielleicht trügt mein Eindruck, aber mein Bauch sagt mir: Mit der Antwort des Papstes haben mehr Protestanten und Atheisten als Katholiken ihre Schwierigkeiten.

Unter den Artikeln „Über Frauenpriestertum und Zölibat – Ungerecht und antiquiert?“ und „Kardinal Ratzinger zur Frage der Frauenordination“ wird bei kath.net die katholische Sicht dargelegt. (Ich beschränke mich auf die Frauenordination.) Eine extrem ablehnende Haltung der Frauenordination findet sich auf den Seiten der Cottbusser „Kommunität St. Michael“, eine bekennende geistliche Gemeinschaft evangelisch-lutherischer Christen.

Diskutierbarkeit der Frauenordination in der Katholischen Kirche

Den Äußerungen des (katholischen) St. Galler Bischof Markus Büchel, dass er sich eine Frauenordination vorstellen könne, wird bei kath.net sofort das Schreiben „Ordinatio Sacerdotalis“[ref]Apostolisches Schreiben ORDINATIO SACERDOTALIS von Papst Johannes Paul II. an die Bischöfe der Katholischen Kirche über die nur Männern vorbehaltenen Priesterweihe vom 22. Mai 1994 >>[/ref] der katholischen Kirche entgegen gehalten:

„Obwohl die Lehre über die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe sowohl von der beständigen und umfassenden Überlieferung der Kirche bewahrt als auch vom Lehramt in den Dokumenten der jüngeren Vergangenheit mit Beständigkeit gelehrt worden ist, hält man sie in unserer Zeit dennoch verschiedenenorts für diskutierbar, oder man schreibt der Entscheidung der Kirche, Frauen nicht zu dieser Weihe zuzulassen, lediglich eine disziplinäre Bedeutung zu.

Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.“

Eine solche endgültige Entscheidung eines Papstes aus der Welt zu schaffen, ist für einen Nachfolger nicht einfach. Er müsste erklären, warum alle Vorgänger geirrt haben und würde an der – päpstlichen und bischöflichen – Autorität aller Vorgänger und Nachfolger rütteln. Aber: Nicht mein Problem. Die künftigen Päpste mögen ihr Problem selbst lösen.

Wer sich auf eine nicht vorhandene „Vollmacht der Kirche“ bezieht, kann jeder weiteren Frage nach der Eignung der Frau zum Priestertum oder den Motiven seiner Weigerung aus dem Wege gehen. Angesichts dieser Position könnte jeder Bischof sagen: „Ich würde ja gerne Frauen zu Priester weihen, aber ich habe kein Befugnis dazu.“

Nach diesen Vorbemerkungen schauen wir uns verschiedene Argumente an. Katholische und protestantische Argumente unterscheiden sich im Grunde genommen nicht.

Christus war ein Mann

und hat nur Männer zu Aposteln berufen.

Der Priester handelt „in persona Christi“. (…) Nun ist Jesus Christus aber als Mann in die Geschichte eingetreten. (…) Daher kann nur ein Mann diese Aufgabe übernehmen.[ref]Katholische Nachrichten „Über Frauenpriestertum und Zölibat – Ungerecht und antiquiert?“ vom 23. Dezember 2009 >>[/ref]

Dies ist aus meiner Sicht ein sehr schwaches Argument. Leider war Gott bei der Schöpfung mit der Teilung der Geschlechter zwischen Mann und Frau ein kleiner Fehler unterlaufen. Gott musste sich für ein Geschlecht seines Kindes entscheiden. Welche Gründe zu dieser Entscheidung geführt haben, bleibt sein Geheimnis. Eine Tochter Gottes wäre allerdings mit 13 oder 14 Jahren verheiratet worden und in einem patriarchalen Haushalt verschwunden. Aus seiner Entscheidung für einen Sohn eine Bevorzugung des Mannes oder die Nicht-Eignung der Frau für das Priesteramt herzuleiten ist Humbug.

Die palästinensischen Hebräerinnen gehörten zu Jesus Zeiten zu den ärmsten der Welt. Das rührte wohl daher, dass sie kein Erbrecht hatten und aus dem geringsten Grund heraus geschieden werden konnten. Hebräer konnten sich von ihren Frauen scheiden lassen, wenn sie das Essen anbrannten (Hillel) oder Ehebruch begingen (Shammai). Hebräerinnen durften sich jedoch nicht von ihrem Männern trennen. In einer Gesellschaft, in der Frauen nicht überlebten, es sei denn, sie waren Teil eines patriarchalen Haushalts, war eine Scheidung katastrophal.

Während des frühen Judentums verkündeten und prophezeiten die Frauen, doch zu Zeiten Jesus war ihnen das Verkünden des Torah in den Synagogen wegen ihrer periodischen „Unreinheit“ untersagt. Es wurde heiß darüber debattiert, ob Frauen im Torah unterrichtet werden sollten. In der Regel erhielten nur die Ehefrauen der Rabbiner diese Ausbildung.
[ref]Jesus und die Frauen >>[/ref]

Aufgrund dieser Stellung der Frau im Judentum, waren Frauen als verkündende Jünger kaum geeignet. Einer Tochter wäre damals nicht weit gekommen. Ihr hätte niemand zugehört. Ja, sie hätte nur als Tochter eines Rabbiners die Gelegenheit gehabt, die in Torah oder Talmud zu lesen.

Aus diesen Gründen wird angenommen, dass die wenigen Frauen, die Jesus begleiteten, prominent und wohlhabend waren und eine Ausnahme bildeten. Aber die Tochter eines armen Zimmermanns würde nicht zu den Ausnahmen gehören.

Das Verbot des Paulus

1 Timotheus 2,12-14

12 Zu lehren erlaube ich einer Frau jedoch nicht, auch nicht, über den Mann zu herrschen, sondern ich will, dass sie sich still verhalte. 13 Denn zuerst wurde Adam geschaffen, dann Eva. 14 Es war auch nicht Adam, der betrogen wurde. Die Frau ließ sich verführen und übertrat das Gebot.

Dies ist scheinbar eine klare, unmissverständliche Ansage des Apostel Paulus. Diese Begründung hat zwei Fehler.

Der erste Fehler: die Schöpfungsgeschichte hat nie stattgefunden

Der erste Fehler ist – für uns, nicht unbedingt für Paulus – erkenntlich: Adam und Eva und den Sündenfall hat es nie gegeben. Die Urgeschichte der Bibel ist ein Märchen – wahrscheinlich besteht sie aus zwei Märchen. Im ersten Teil schuf Gott zuerst die Tiere, die schon nach Geschlechtern getrennt sind und den Auftrag der Vermehrung erhalten[ref]1. Mose 1 22: Da segnete Gott seine Geschöpfe: „Seid fruchtbar und vermehrt euch und füllt das Wasser in den Meeren! Und auch ihr Vögel, vermehrt euch auf der Erde!“[/ref], und danach nicht nur einen Menschen, sondern viele Menschen.

1 Mose 1,26-27
26 Dann sprach Gott: „Lasst uns Menschen machen als Abbild von uns, uns ähnlich. Sie sollen über die Fische im Meer herrschen, über die Vögel am Himmel und über die Landtiere, über die ganze Erde und alles, was auf ihr kriecht!“ 27 Da schuf Gott den Menschen nach seinem Bild, als sein Ebenbild schuf er ihn. Er schuf sie als Mann und Frau.

Im zweiten Teil wird erst ein Mensch geschaffen, dann die Tierwelt.

Eine Urknalltheorie wurde erst mit dem 20. Jahrhundert denkbar. Wir wissen heute einigermaßen, wie sich das Weltall und das Leben auf der Erde in Jahrmilliarden entwickelt hat.

Die Begründung für die Unterordnung der Frauen unter die Männer aus dem ersten Buch Mose ist damit hinfällig. Die Geschichte ist eine Erklärung aus einer Zeit, da Gott schlecht zu einem Propheten sagen konnte: „Pass mal auf. Am Anfang habe ich alle Materie in einem Punkt zusammen gequetscht. Dann habe ich diese Masse explodieren lassen und die Naturgesetze geschaffen. Hier hast Du eine kleine Formelsammlung. Ach ja: Gesetzt 1: Nichts ist schneller als das Licht; Gesetzt 2: Masse und Energie sind äquivalent; E=mc2; Gesetz 3: Alles ist relativ. Fragen? Gut, Einstein, wird es Dir später erklären.“

Es gab nie einen Apfel, keinen Sündenfall und keine Erbsünde. Eva wird zu Unrecht verleumdet.

Der zweite Fehler: Paulus ist nicht der Autor

Der zweite Fehler ist, dass der Apostel Paulus diesen Brief – wahrscheinlich – nicht selbst geschrieben hat. Dieser Brief wird von der historisch-kritischen Exegese als pseudepigraph – nicht von Paulus selbst stammend – betrachtet.[ref]WikiPedia >>[/ref] Er ist das Werk eines Paulusschüler, der seine – auf Paulus beruhenden – Ansichten über die Rolle der Frauen in Form eines Briefes niederlegt. Kann sein, dass Paulus ebenfalls dieser Ansicht war; kann sein, muss aber nicht. Vielleicht sollte auch nur ein Streit beigelegt werden.

Damit stellt sich die Frage der Autorität dieses Briefes und seines Schreibers. (Dass ich „damit faktisch die Lehre von der Vollkommenheit, Deutlichkeit und Autorität der Heiligen Schrift über Bord“[ref]Frauenordination und Hl. Schrift: Eine Bibelarbeit über 1 Tim 2,8-15 >>[/ref] werfe, stört mich nicht.)

Während in Epheser 5, 22-33 die Unterordnung der Frau aus der Unterordnung der Gemeinde unter Christus begründet und umgekehrt der Mann zur Liebe wegen der Liebe Christi zur Gemeinde verpflichtet wird, wird hier die Unterordnung rein alt-testamentarisch aus der Urgeschichte begründet. Die Pflicht des Mannes, seine Frau zu Lieben, fehlt bei Timotheus völlig. Sollte Paulus vorher nie ausführlicher mit einem seiner engsten Vertrauten darüber gesprochen haben? Mir scheint, hier will ein Schüler mit der Autorität des Meisters einen Streit für seine Ansicht entscheiden.

1. Johannnes 4,1
1 Ihr Lieben, glaubt nicht jedem, der behauptet, er sei mit Gottes Geist erfüllt, sondern prüft, was er sagt, ob es wirklich von Gott kommt. Denn viele falsche Propheten verbreiten ihre Lehren in der Welt.

Fazit

Es gibt keine Hinweise darauf, dass Gott heute keine Tochter für die Aufgabe wählen würde und keine, dass Jesus heute keine Frauen zu Jüngern wählen würde. Abgesehen davon, dass wer Jünger, wer Apostel war; ob es einen herausgehobenen 12er Kreis gab und dieser mehr als symbolische Bedeutung hatte, ist unklar. Auch Paulus nutzt den Begriff Apostel großzügiger. Er selbst gehört ja nicht zum 12er Kreis.

Mache ich es mir zu einfach? Ich glaube nicht.