Dass die Regierung der Resolution nicht zustimmen konnte oder wollte mag manchem verständlich sein. Dass wir uns aber der Durchsetzung eines Waffenembargos durch die NATO2 auch nicht beteiligen, ist schwer verständlich. Friedfertiger – weniger militärisch – als das Überwachen des Seeraumes, Beobachten der Handelsschiffsströme, Abfragen der Schiffe nach Güter, Herkunft und Ziel, Kontrollen im Einvernehmen mit dem Eigner und Kapitän sowie bei Verdacht Umlenken in einen anderen Hafen durch die Marine kann eine „militärische“ Operation kaum sein. Dies ist eher eine polizeiliche Maßnahme, denn eine militärische.
Natürlich besteht die Gefahr, dass Gaddafi befiehlt, sich gegen ein Embargo zur Wehr zu setzten. Es wäre aber fatal, wenn nicht nur Gaddafi sondern auch andere Diktatoren den Eindruck bekommen, wir würden vor einer Auseinandersetzung zurückschrecken, wenn sie nur glaubwürdig genug drohen oder unzurechnungsfähig sind.
Das Risiko, dass die Überwachung eines Embargos zur See sich zu einer Intervention an Land entwickelt, ist extrem gering. Insbesondere sind die schwimmenden deutschen Einheiten nicht zum Landkrieg fähig, was eine weiter gehende Beteiligung ausschließt. Hier wäre es an der Zeit gewesen, ein Signal der Solidarität zu setzen.
Zwischen den „Lead-Nations“ in Europa offenbaren sich schwerwiegende Differenzen, die eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in Europa auf Jahre zurückwerfen. Es wird sehr, sehr lange dauern, bis die Partner – wenn man sie denn noch so nennen kann – bereit sein werden in der Außen- und Sicherheitspolitik Kompetenzen an die EU abzugeben.
Eine gemeinsame Stimme Europas? Diesem frommen Wunsch habe ich schon immer misstraut; allerdings mit Blick auf französische und englische Interessen. Deutschland hat bewiesen, dass dies eine Utopie ist. Das Verdienst unseres Außenminister Dr. Guido Westerwelle wird sein, dass er sich von dieser Utopie konsequent verabschiedet hat. Nationales Denken in Europa ist nur über ein frei gewähltes Europäisches Parlament, das eine Europäische Regierung einsetzt und Nationalstaaten entmachtet, überwindbar.
Wer Solidarität von anderen erwartet, der wird sie vorher selbst zeigen müssen. Der Abzug der deutschen Einheiten ist ja schon fast eine Solidaritätserklärung mit Herrn Gaddafi. Wer ist hier eigentlich wessen Freund? Besser Freunde kann Herr Gaddafi sicher nicht finden. Unsere Bündnispartner werden schwerlich schlechtere zu finden. Die Quittung werden wir vielleicht schneller bekommen, als uns lieb ist. Man trifft sich immer zweimal.
Ich frage mich, wie kann man in der NATO einer militärischen Operation zustimmen, wenn man im UN-Sicherheitsrat die militärische Option abgelehnt hat. Angeblich sind alle Verbündeten entschlossen, ihrer Verantwortung aus der UN-Resolution gerecht zu werden und die nicht hinnehmbare Gewalt gegen die libysche Bevölkerung zu stoppen.3 „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik unter Einbeziehung anderer Mittel.”4 Deshalb ist es wichtig, dass die Politik erkennt, wann ihre vorherigen Mittel versagt haben. Wir werden sehen, wie die Bundesregierung mit ihren nicht kriegerischen Mitteln kurzfristig dem Morden Gaddafis und seiner Schergen Einhalt kann. Zur Zeit heißt es frei nach Star Trek: „Westerwelle, übernehmen Sie!“ Mal sehen, wann Merkel sagt: „de Maizière, übernehmen Sie!“
Noch ein Wort dazu, dass der Verteidigungsminister in die Entscheidungen einbezogen wurde. Dass ein deutscher Verteidigungsminister nicht bei jeder Gelegenheit Hurra schreit, wenn die Politik unter Einbeziehung seiner Mittel fortgesetzt werden soll, ist selbstverständlich. Wenn der Krieg die Ultima Ratio eines Landes ist, darf und muss er deutlich zurückhaltender sein, als der Rest der Regierung. Den Offenbarungseid des Außenministers sollte er kritisch hinterfragen, bevor er dessen Politik fortsetzt.
- SPON: Deutschland zieht Marine aus Mittelmeer ab; Live-Ticker; 22.03.2011 – 19.58 Uhr >>
- NATO wird immer noch groß geschrieben. Scheinbar funktioniert die Rechtschreibkontrolle der großen Nachrichtenagenturen nicht. Ich hab mir erlaubt, die Zitate zu korrigieren.
- FOCUS: Nato beschließt Eingreifen in Libyen-Krieg; 22.03.2011>>
- Clausewitz, Carl Philipp Gottlieb von: Vom Kriege I, 1, 24
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